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Jenseitsvorstellungen

Haben wir vor unserer körperlichen Existenz gelebt? Und wenn ja, wie und wo? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Und wenn ja, wo wird es sein und wie wird es sein?

Grabbeigaben lassen vermuten, dass bereits in vorgeschichtlicher Zeit Vorstellungen einer Jenseitsreise oder eines Fortlebens im Grabe existiert haben. Religiöse und philosophische Systemen verschiedener Zeiten und Kulturen zeugen von den Erfahrungen und Gedanken, die aus der Beschäftigung mit der Frage nach diesseitigem und jenseitigem Leben entstanden sind. Und von den jeweiligen sozialen und politischen Bedingungen.

In der Vergangenheit waren Menschen, die offen und unabhängig von den gültigen Lehren ihrer Kultur und Zeit nach Antworten auf existenzielle Fragen suchten, eher die Ausnahme. Seit einigen Jahrzehnten jedoch scheint sich das in den christlich geprägten Industrienationen zu ändern. Die Fragen nach "Woher, Wohin und Warum" scheinen mehr und mehr zur Privatsache zu werden.

Beispiele christlicher Jenseitsvorstellungen

Während die Mönche und Bauern des Mittelalters im Himmel das wiederhergestellte Paradies sehen, einen von Gott geschaffenen Garten, in dem es keine Mühe und Schmerzen gibt, entsteht in den Bettelorden und der Stadtbevölkerung das Bild einer himmlischen Stadt mit einer himmlischen Kultur und himmlischen Standesunterschieden: Wer ein gottgefälliges und reines Leben geführt hat, sitzt bei den Heiligen und Jungfrauen und wird bedient.

Für den Mystiker Thomas von Aquin besteht der Himmel aus der vollkommenen Erkenntnis Gottes. Je mehr man Gott im irdischen Leben geliebt hat, desto höher ist die Stufe der himmlischen Gotteserkenntnis und desto größer die Glückseligkeit. (Ungetauft gestorbene Kinder stehen auf der untersten Stufe und haben nur eine natürliche Gotteserkenntnis und ein einfaches, tierähnliches Glück. Aber auch dieses Glück ist vollkommen, da sie um die Unvollständigkeit ihres Glücks nicht wissen.) Einen Aufstieg in einer höhere Stufe gibt es im Himmel nicht.

In der Renaissance stehen geistiger und sinnlicher Genuss gleichberechtigt nebeneinander. Das höchst Glück schenkt die Liebe Gottes, aber die Liebe der Seligen untereinander, die Küsse über tausende von Kilometern austauschen können, schenkt das gleiche Glück. Je heiliger und reiner ein Mensch auf der Erde gelebt hat, desto süßer schmecken seine Küsse im Himmel...


Existierten im Christentum zunächst nur zwei Jenseitsorte - der Himmel für die guten, die Hölle für die schlechten Menschen - wird mit dem Konzil von 1274 ein dritter Jenseitsort verkündet: das Fegefeuer. Dorthin gelangen die "minderen" Sünder. Durch die Qualen des Fegefeuers können sie sich von ihren Sünden reinigen und vor der ewigen Verdammnis in der Hölle retten. Ihre Leidenszeit kann verkürzt werden, indem ihre Hinterbliebenen Ablässe erwerben, Seelenmessen lesen lassen, Gebete sprechen, Almosen geben, Spitäler einrichten und dergleichen mehr.

Während das Dogma vom Fegefeuer in dieser Form bis ins 18. Jahrhundert in der katholischen Kirche wirksam bleibt, wird es von den Reformatoren grundsätzlich abgelehnt. Für die reformierte Kirche sind alle Menschen Sünder und die Verdienste des irdischen Lebens bedeutungslos - einzig durch die Gnade Gottes gelangt ein Mensch in den Himmel.



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